Sitzung: 29.08.2017 Stadtrat der Stadt Eisenberg
Beschluss: einstimmig abgelehnt
Beschluss:
Der Stadtrat beschließt einstimmig gegen die Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes der Stadt Grünstadt zu stimmen. Es bestehen erhebliche Bedenken. Die Verwaltung wird beauftragt, diese im Namen der Stadt Eisenberg gegenüber der Stadt Grünstadt geltend zu machen.
Ratsmitglied M. Rauschkolb erscheint zur Sitzung.
Die Stadt Grünstadt beabsichtigt ihr
Einzelhandelskonzept fortzuschreiben. Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens wird
den Gemeinden der Verbandsgemeinde Eisenberg (Pfalz) Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben. Anlass zur Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes ist
die geplante Ansiedlung von zwei Lebensmittelmärkten im Stadtteil Asselheim.
Geplant sind die Verlegung des bestehenden ALDI-Marktes vom Standort
„Carl-Zeiss-Straße“ sowie die Neuansiedlung eines REWE-Marktes. Bei beiden
Einzelhandelsnutzungen ist die Sortimentsstruktur vorrangig auf die
Grundversorgung ausgerichtet. Der geplante Standort ist im Lageplan der
Beschlussvorlage dargestellt.
Die Versorgung im Bereich kurz- und mittelfristiger Bedarf im Segment
Lebensmittel ist in der Stadt Grünstadt gesichert. Die Entwicklung auf der
Anbieterseite wird von Verdrängungswettbewerb und preisaggressiven Absatzformen
gekennzeichnet sein. Für die gesamte Bundesrepublik wird die Kaufkraft
ermittelt und in einen regionalen Vergleich gestellt. Dabei liegt die Stadt
Grünstadt mit einem Wert von 105,0 deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Die
Verbandsgemeinde Eisenberg weist mit einem Wert von 92,1 einen
unterdurchschnittlichen Kaufkraftkoeffizienten aus. Die Stadt Grünstadt bindet
diese Kaufkraft bereits jetzt mit einem Wert von 239,7 und liegt damit sehr
deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 100,0.
Die Handelszentralität (Relation von Umsatz zur Kaufkraft) der Stadt
Grünstadt lag im Jahr 2010 in allen Bereichen bei 228 % d.h. für die Stadt
Grünstadt kann als Mittelzentrum mit einem deutlichen Kaufkraftzufluss
ausgegangen werden. Für das Basisjahr 2017 ist von einem leichten Rückgang der
Zentralität auf ca. 218 % auszugehen. Im Bereich des Segmentes Lebensmittel lag
die Zentralität 2010 sogar bei 268 % und wird für das Jahr 2017 mit 239 %
angenommen. Die Kaufkraftbindung in der Verbandsgemeinde Eisenberg (Pfalz)
liegt lediglich bei ca. 88 %.
Die Stadt Grünstadt hat damit eine weit überörtliche Marktausstrahlung
und bindet in großem Umfang Kaufkraft aus den Nachbargemeinden.
Im Gutachten wurde das „Marktgebiet“ Grünstadt in drei Teilbereich
aufgeteilt.
I. Stadt Grünstadt
II. Mittelbereich Grünstadt (VG Grünstadt-Land)
III. Erweitertes Marktgebiet (VG Eisenberg, Teile VG Göllheim, Teile VG
Monsheim
und Bereich Weisenheim am Berg
und Freinsheim).
Im Gutachten wird folgende Annahme formuliert: „In der Zone III (Erweitertes Marktgebiet) ist aufgrund der Nähe zu
weiteren Zentralen Orten / Einkaufsstätten wie z.B. Ludwigshafen, Worms,
Kaiserslautern von einer geringen Marktdurchdringung auszugehen. Dennoch sind
gewisse Einkaufsverflechtungen vorhanden.“
Im Gutachten selbst wird diese Annahme widerlegt. Bei der Ermittlung der
Kaufkraftpotentiale werden folgende Zahlen aufgeführt:
Zone I (Grünstadt) = 85,1 Mio. €
Zone II (Mittelbereich Grünstadt) = 188,9 Mio. €
Zone III (Erweitertes Marktgebiet) = 191,7 Mio. €.
Aus den vorgenannten Zahlen muss geschlossen werden, dass der bestehende
Einzelhandel bereits jetzt große Auswirkungen auf die Einzelhandelsgeschäfte im
Bereich der Verbandsgemeinde Eisenberg (Pfalz) hat. Ein Lageplan mit dem
„Marktgebiet Grünstadt“ liegt der Beschlussvorlage bei. Das gesamtstädtische
Angebot im Sortiment Lebensmittel ist sowohl hinsichtlich der Betriebstypen als
auch der Betreiberfirmen als sehr ausgeprägt zu bewerten. Wesentliche
Angebotslücken im Bereich Lebensmitteleinzelhandel liegen in der Gesamtstadt
Grünstadt nicht vor.
Bei der Ermittlung der Verträglichkeit der geplanten Ansiedlung der
Lebensmittelmärkte wird vom Gutachter angenommen, dass sich für den Bereich der
Verbandsgemeinde Eisenberg (Pfalz) keine Auswirkungen auf den Abfluss der
Kaufkraft ergeben und diese nicht zum Einzugsgebiet der geplanten
Lebensmittelmärkte gehört. Das Einzugsgebiet ist in der Beschlussvorlage
dargestellt.
Diese Annahme wird von uns nicht geteilt. Die geplanten Märkte sind im
Zusammenhang mit dem bestehenden Angebot zu sehen. Der Standort der geplanten
Märkte liegt verkehrstechnisch so günstig, dass das zukünftige Angebot auf
jeden Fall Auswirkungen auf den Einzugsbereich und auch auf die Kaufkraft der
Verbandsgemeinde Eisenberg (Pfalz) an sich hat. Die beiden Märkte werden sich
ergänzen und für viele eine hohe Attraktivität entwickeln. Wenn bisher noch ein
Einkauf bei den Anbietern im Bereich der Verbandsgemeinde Eisenberg (Pfalz) in
Ergänzung zu den Einkäufen in den beiden großen Lebensmittelmärkten Globus und
Kaufland erfolgte, so ist zu befürchten das die beiden geplanten Märkte auch
diese Nachfrage zukünftig abdecken. Es wird damit ein weiterer Abfluss der
Kaufkraft aus dem Bereich der Verbandsgemeinde Eisenberg (Pfalz) sowie deren
Einzugsgebiet stattfinden. Dies kann dazu führen, dass die Stadt Eisenberg
(Pfalz) als Mittelzentrum ihre Aufgabe im festgelegten Umfang nicht mehr
erfüllen kann.
Im Gutachten selbst ist ausgeführt, dass eine Marktabschöpfung zwischen
23% und 28 % erforderlich ist um die erforderlichen rechnerischen
Planumsatzleistungen der beiden geplanten Märkte zu erreichen. In der Stadt
Grünstadt liegt bereits jetzt eine stark ausgeprägte Wettbewerbssituation mit
einem vielseitigen Betriebstypenmix im Lebensmitteleinzelhandel vor, so dass
die erforderlichen Marktabschöpfungsquoten zwischen 23 % und 28 % zur
Erreichung der rechnerischen Planumsätze als zu hoch zu bewerten sind. Es ist
daher zwingend notwendig das zusätzliche Kaufkraft aus dem Bereich der
Verbandsgemeinde Eisenberg (Pfalz) abgeschöpft wird.
Die Aussage im Gutachten, dass in der Stadt Grünstadt bereits jetzt eine
sehr hohe Einzelhandelszentralität im Lebensmittelmarkt von ca. 240 % vorliegt
und daher nicht mit einer nennenswerten Steigerung der Kaufkraftbindung in der
Stadt Grünstadt selbst bzw. von einer Erhöhung der Kaufkraftabschöpfung im
Umland auszugehen ist, muss doch sehr stark angezweifelt werden. Aufgrund
dessen wird im Gutachten in der Modellrechnung davon ausgegangen, dass sich der
zusätzlich durch das Planvorhaben generierte Umsatz vollständig gegenüber den
Bestandsbetrieben in der Stadt Grünstadt umverteilt. Die Umverteilungsquote
wird mit 11% bis 12 % angesetzt.
Entgegen den Annahmen im Gutachten wird mit gravierenden Auswirkungen
auch auf den Bereich des Marktgebietes der Verbandsgemeinde Eisenberg (Pfalz)
gerechnet. Bei einer Umverteilungsquote von bis zu 12 % kann dies auch zu
großen Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich der Stadt Eisenberg
(Pfalz) und damit auf die Aufgaben des Mittelzentrums haben. Hier wird das im
regionalen Raumordnungsplan festgelegte Nichtbeeinträchtigungsgebot
möglicherweise verletzt. Danach darf durch die Ansiedlung und Erweiterung von großflächigen
Einzelhandelsbetrieben weder die Versorgungsfunktion der städtebaulich
integrierten Bereiche noch die Versorgungsbereiche benachbarter zentraler Orte
wesentlich beeinträchtigt werden. Die Aussage im Gutachten: „Mit der Ansiedlung eines weiteren
Lebensmittelmarktes der Fa. REWE werden „Kannibalisierungseffekte“ entstehen,
da die Kunden, welche bisher an den bestehenden Standort tendieren, künftig
zumindest in Teilen an den Versorgungsbereich Lebensmittel-Nahversorgung
tendieren werden“ wird umfänglich geteilt. Dennoch wurden bei der
Untersuchung die zu erwartenden gravierenden Auswirkungen für den Marktbereich
der Verbandsgemeinde Eisenberg (Pfalz) außer Acht gelassen.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen bestehen erhebliche Bedenken
gegen die geplante Ansiedlung von zwei Lebensmittelmärkten im Bereich des
Stadtteiles Grünstadt-Asselheim.