Beschluss:

Der Haupt- und Finanzausschuss empfiehlt einstimmig der Gemeinde Kerzenheim das Wahlrecht nach § 27 Abs. 22 UStG 2016 auszuüben. Die Verwaltung wird beauftragt, die entsprechende Erklärung gemäß den Vorgaben der Finanzverwaltung bzw. den ergänzenden Hinweisen des GStB frist- und formgerecht abzugeben.

 


Mit Einführung eines neuen § 2 b UStG mit Wirkung zum 01.01.2017 wurde die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand grundlegend neu geregelt und an europäisches Recht angepasst (Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 – Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Es wird auf die Anlage verwiesen (Aufsatz Rätz aus Gemeinde und Stadt, Heft 02/2016).

Der Gesetzgeber hat in § 27 Abs. 22 UStG eine Übergangsregelung in der Form vorgesehen, dass die von der Neuregelung betroffenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (im kommunalen Bereich sind das die einzelnen kommunalen Gebietskörperschaften, ferner insbesondere Zweckverbände, Jagdgenossenschaften, AöR oder Stiftungen) das Wahlrecht haben, ob sie das neue Recht bereits 2017 anwenden wollen oder noch bis einschließlich des Jahres 2020 nach bisherigem Recht (§ 2 Abs. 2 UStG a. F.) behandelt werden wollen.

Zu entscheiden ist, ob die Gemeinde von diesem Wahlrecht Gebrauch macht. Dabei handelt es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung; vielmehr sind entsprechende Ratsbeschlüsse erforderlich.

Soweit vom Wahlrecht Gebrauch gemacht werden soll, ist die entsprechende Erklärung bis zum 31.12.2016 gegenüber dem jeweils zuständigen Finanzamt abzugeben (absolute Ausschlussfrist). Danach kann diese Erklärung jederzeit mit Wirkung ab dem jeweiligen Folgejahr widerrufen werden, ggf. sogar rückwirkend.

Das Wahlrecht kann nur einheitlich für alle Umsätze der juristischen Person (d. h. der Gemeinde, des Zweckverbandes, der Jagdgenossenschaft, der AöR usw.) ausgeübt werden (kein „Rosinenpicken“). Die umsatzsteuerrechtlichen Regelungen im Übrigen bleiben unberührt (z. B. Pauschal-/Regelbesteuerung der Forstbetriebe, gesetzliche Steuerbefreiungen, Kleinunternehmerregelung).

Für die Ausübung des Wahlrechts sprechen insbesondere:

-       Vielzahl von Rechtsunsicherheiten:

Die neue Regelung enthält eine Vielzahl neuer unbestimmter Rechtsbegriffe, deren konkrete Auslegung bisher nicht einmal ansatzweise vorgenommen wurde bzw. erkennbar ist.

Beispiel § 2 b Abs. 3 Nr. 2 – „dient dem Erhalt öffentlicher Infrastruktur“:

Unklar ist, ob dieser Begriff nur bauliche Infrastruktur umfasst (d. h. nur Straßen, Gebäude, Kanäle usw.), oder auch (reine) Dienstleistungen beispielsweise im sozialen oder kulturellen Bereich. Nach Lesart der Kommunalen Spitzenverbände ist der Begriff möglichst weit auszulegen, andere Auffassungen plädieren für die o. g. sehr enge Auslegung.

An dieser Rechtsunsicherheit wird sich aller Voraussicht nach auch nicht bis Ende 2016 nichts ändern. Zwar ist diesbezüglich ein BMF-Schreiben für die zweite Jahreshälfte angekündigt, unklar ist jedoch, ob dieses tatsächlich bereits alle notwendigen Klarstellungen enthalten wird.

-       Die o. g. Möglichkeit des Widerrufs:

Das Wahlrecht kann auch nach 2016 jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Auch kann eine bereits abgegebene Erklärung noch in 2016 mit Wirkung für 2017 wieder zurückgenommen werden.

Der Gemeinde- und Städtebund empfiehlt vor diesem Hintergrund seinen Mitgliedern vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Innerhalb einer Verbandsgemeinde empfiehlt es sich alleine aus verwaltungspraktischen Gründen ohnehin, das Wahlrecht einheitlich auszuüben.

Die Abgabe der Erklärung gegenüber dem Finanzamt gemäß Ratsbeschluss wird gebündelt sowie frist- und formgerecht durch die Verwaltung erledigt; dies jedoch erst ab Herbst 2016, da die diesbezüglichen konkreten Verfahrensregelungen noch in Abstimmung mit der Finanzverwaltung sind.

Würde das Wahlrecht nicht ausgeübt, wäre keine Erklärung erforderlich; das neue Recht wird dann kraft Gesetzes ab 2017 wirksam.